Suchet der Stadt Bestes OER
Jeremia und das politische Engagement – Atlas der Zivilgesellschaft – Was kann ich tun?
Worum es geht
Immer wieder beziehen Christ:innen in gesellschaftlichen Fragen mehr oder weniger klare Positionen. Sie setzen sich durchaus nicht unumstritten zivilgesellschaftlich u.a. für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden ein.
Das SDG 16 – Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen hat u.a. das Ziel, die Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern und den gleichberechtigten Zugang aller zur Justiz zu gewährleisten. Es soll dafür sorgen, dass die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen bedarfsorientiert, inklusiv, partizipatorisch und repräsentativ ist und den öffentliche Zugang zu Informationen gewährleistet ist und die Grundfreiheiten geschützt werden. Eine aktive und offene Zivilgesellschaft ist dabei ein Garant, dass diese Ziele erreicht werden können.
Gleichzeitig schwinden die Handlungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft nach und nach immer weiter (shrinking space). Daher setzt sich die Unterrichtseinheit mit der Bedeutung der Zivilgesellschaft (inklusive der Kirchen) für ein freies, friedliches und gerechtes Miteinander in Kommunen, Ländern und der Weltgemeinschaft auseinander.
Die Konzeption orientiert sich am Dreischritt „Sehen – Erkennen – Handeln“:
- Biblischer Zugang anhand von Jeremia 29,1-7 – #Lehrkräfte und Schüler:innen gegen rechts – Öffentliche Theologie.
- Erarbeitung der Bedeutung der Zivilgesellschaft für ein gelingendes Gemeinwesen – shrinking space – beispielhaftes Handeln junger Menschen aus und in der Zivilgesellschaft.
- Wahrnehmung der zivilgesellschaftlichen Handlungsoptionen von Schüler:innen – Erarbeitung und Diskussion von Aktionsformen.
Das Unterrichtsvorhaben lässt sich sehr gut curricular im Bereich der Ekklesiologie (konkret: Verhältnis von Staat und Kirche, bzw. Religion und Politik) oder der Christologie (konkret: Konsequenzen aus der Reich-Gottes-Botschaft Jesu) verorten.
Die Arbeitsmaterialien stehen auch für den interaktiven Einsatz im Unterricht als h5p-Dateien zur Verfügung.
reliGlobal
Das vorgestellte Unterrichtsvorhaben wurde entwickelt im Rahmen des von Brot für die Welt geförderten Projektes „reliGlobal“. Zur Förderung des „Globalen Lernens“ erstellen Mitarbeiter:innen aus mehreren Pädagogischen Instituten in der EKD kooperativ Unterrichtsmaterialien für den evangelischen Religionsunterricht.
Verantwortung der Christ:innen für ein gelingendes Miteinander in der Gesellschaft
- In der Verhältnisbestimmung Staat-Kirche ist – international gesehen – die „res mixta“ in der BRD eine Besonderheit. Das Verhältnis von Religion/Glaube und Politik/Staat ist aber auch unabhängig von der bundesdeutschen Situation von grundsätzlicher Bedeutung. Welche Verantwortung besteht aus christlicher Überzeugung heraus für gesellschaftliche und politische Fragestellungen? Daher findet sich das Verhältnis von Staat und Kirche in den Curricula für die Sek I, v. a. aber für die Sek II, als wichtiges Inhaltsfeld des ev. RU.
- In Geschichte und Gegenwart wird die Verhältnisbestimmung immer wieder anhand von aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen virulent und neu diskutiert.
- Das Unterrichtsvorhaben setzt bei einer Anfang 2024 in Deutschland aufflammenden Problematik, dem erstarkenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und der daraus resultierenden Gefährdung für die freiheitliche demokratische Grundordnung der BRD an. Dazu wird als Anforderungssituation „#Lehrkräfte und Schüler:innen gegen rechts“ den Schüler:innen nahegebracht. Diese sollen sich mit der Fragestellung, ob und wie ein Engagement aus der eigenen Schule heraus gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus aussehen könnte. Ziel ist die Entwicklung einer eigenen begründeten Stellungnahme zur Frage, wie „Gesicht zeigen gegen rechts“ verantwortlich gestaltet und begründet werden kann.
- Als biblische Orientierung dient eine Auseinandersetzung mit der Botschaft des Propheten Jeremia an die exilierten Israeliten in Babylon (Jer 29,1-7) und die Auslegung durch a) einen Theologen (Christian Kopp) und b) einen Politiker (Hans-Josef Vogel). Die Auslegungen werden erarbeitet und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse im Plenum diskutiert (Sicherung).
- Falls im Vorfeld der Durchführung des Unterrichtsvorhabens eine Auseinandersetzung mit klassischen Bestimmungen des Verhältnisses von Kirche und Staat stattgefunden hat, kann der zusammenfassende Blick auf das Konzept der Öffentlichen Theologie und Kirche von Heinrich Bedford-Strohm (M5) diese erneut und vertiefend ins Bewusstsein der Schüler:innen holen. Andernfalls werden so in knapper und anschaulicher Weise (ohne Nutzung der typischen Fachtermini) grundlegende Möglichkeiten dieser Verhältnisbestimmung erschlossen.
Pfarrpersonen gegen Rechts auf Instagram
Beispiel h5p: Interaktives Arbeitsblatt
Vertiefende bzw. alternative Zugänge
- Die Auslegungen von Christian Kopp und Hans-Josef Vogel werden von je einer/m Schüler:in in der Methode des Lerntempoduetts bearbeitet. Die Ergebnisse werden im Rahmen eines Plenumgesprächs gesichert.
- Weitere Auslegungen von Jer 19,1-7 lassen sich leicht im Internet finden und können von den Schüler:innen ergänzend (ggf. in einer Hausaufgabe) verglichen werden.
- Ergänzend (oder auch alternativ) können Konzeptionen der Verhältnisbestimmung Staat und Kirche aus Geschichte und Gegenwart erschlossen werden. Neben Luthers Lehre von den Zwei-Regimenten bietet sich hier das auf Karl Barth zurückzuführende Verhältnis von Christengemeinde zu Bürgergemeinde an. Diese klassischen Konzeptionen können auch in einem eigenen Unterrichtsvorhaben im Vorfeld oder im Nachhinein erarbeitet werden. Das liegt nahe – da diese zumindest in einigen Bundesländern – im Zusammenhang von Abiturprüfungen vorausgesetzt werden.
- Ebenfalls mit Blick auf Fragestellungen aus der Geschichte ist eine vertiefende Auseinandersetzung mit der „Kirche im Nationalsozialismus“ (hier v.a. Barmer Theologische Erklärung) und/oder „Kirche in totalitären Systemen“ (hier z. B. „Kirche in der DDR“) in guter Weise anschlussfähig.
Möglichkeiten und Gefährdungen zivilgesellschaftlichen Engagements
- Die Kenntnisse der Schüler:innen über zivilgesellschaftlich agierende Organisationen werden aktiviert und systematisiert (M6). Bei nicht bekannten Organisationen recherchieren die Schüler:innen wichtige Rahmenbedingungen und Handlungsbereiche dieser zivilgesellschaftlichen Akteure.
- Vertiefend werden Handlungsfelder und -möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisationen erarbeitet und somit der Begriff der Zivilgesellschaft definitorisch geklärt und die Bedeutung der Zivilgesellschaft für eine freiheitliche Demokratie, für Menschenrechte und ein gutes Gelingen des Zusammenlebens in einem vielfältigen Gemeinwesen herausgearbeitet (M7).
- Die Lehrkraft zeigt den Schüler:innen (zunächst) unkommentiert die Übersichtskarte aus dem Atlas der Zivilgesellschaft (M8). Sodann werden die Schüler:innen aufgefordert, zu überlegen, welche Bedeutung die (fünf) Farben der Weltkarte haben. Dazu werden ggf. durch die Lehrkraft initiiert, Länder unmittelbar identifiziert und Cluster gebildet.
- Unter Bezugnahme auf den (interaktiven) Atlas der Zivilgesellschaft erschließen die Schüler:innen exemplarisch die unterschiedlichen Voraussetzungen und Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisationen in verschiedenen Ländern der Welt. Dabei werden bei den fünf Kategorien (offen…geschlossen) jeweils v.a. die Konsequenzen für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in den Blick genommen (M9).
- Im Sinne des Lernens am Vorbild werden nun konkrete Beispiele zivilgesellschaftlichen Engagements erarbeitet. Dabei werden bewusst „ganz normale“ (jüngere) Personen und nicht „große Vorbilder“ gewählt. Die Schüler:innen lernen Menschen aus unterschiedlichen Kontexten und deren Einsatz kennen (M10a-e). Die Erarbeitung kann in Kleingruppen arbeitsteilig vollzogen werden (auch eine Auswahl aus den fünf vorliegenden Personen ist möglich). Darüber hinaus recherchieren die Schüler:innen in Einzelarbeit weitere Beispiele und stellen diese vor.
Atlas der Zivilgesellschaft (2023)
Atlas der Zivilgesellschaft (2024)
Vertiefende bzw. alternative Möglichkeiten
- Die Schüler:innen setzen sich mit zivilgesellschaftlichen Akteur:innen in ihrem näheren Umfeld auseinander, führen ggf. Interviews mit in zivilgesellschaftlichen Organisationen aktiven Personen.
- Fächerübergreifend mit dem Unterricht in Sozialwissenschaften, bzw. Politik werden die Funktion und Bedeutung der Zivilgesellschaft für das demokratische Gemeinwesen in Deutschland analysiert.
- Die Schüler:innen führen eine Umfrage zur Bereitschaft ehrenamtlichen Engagements bei ihren Lehrkräften und Mitschüler:innen durch und werten diese gemeinsam aus.
- Die Schüler:innen recherchieren anhand des „Atlasses der Zivilgesellschaft“ und anderer Quellen bei weiteren Ländern die Hintergründe der Einordnung aus dem Atlas und bilden sich ein begründetes Urteil zur Bedeutung der Zivilgesellschaft.
- Die Schüler:innen erörtern die Rolle der Kirche(n) in der (bundesdeutschen) Gesellschaft und klären, inwieweit die Kirche(n) Teil einer aktiven Zivilgesellschaft sind.
Zusatz: Film Was ist Zivilgesellschaft?
Zusatz: Interview Morena Herrera
Kennenlernen und Auseinandersetzung mit Aktionsformen zivilgesellschaftlichen Handelns und Treffen einer begründeten Entscheidung im Blick auf die Anforderungssituation (vgl. Schritt 1)
- Die Lehrkraft bringt den Schüler:innen die Anforderungssituation (vgl. Schritt 1) nochmals ins Bewusstsein. Ziel ist es nun eine begründete Position zu entwickeln und Stellung zu nehmen.
- Neben der Aktionsform „Gesicht zeigen via Instagram“ lernen die Schüler:innen weitere (gewaltfreie) Handlungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft kennen und erörtern diese im Blick auf die konkrete Anforderungssituation (M11).
- Die Schüler:innen bereiten in Einzelarbeit oder in Kleingruppen eine Debatte (vgl. als Anregung u. a. www.jugend-debattiert.de ) unter Bezugnahme auf die bearbeiteten Aktionsformen zur aufgezeigten Thematik vor und führen diese dann durch.
Wichtiger Hinweis zum h5p-Baustein M11: Die Webseite, auf welcher dein H5P-Inhalt liegt, muss die Speicherung der Eingaben auch unterstützen, sonst gehen alle Eingaben verloren! Daher kopieren Sie sich das h5p-Element bitte in ihr eigenes LMS, wenn Sie die Ergebnisse im Anschluss betrachten möchten. Ansonsten kann es auch einfach zur Selbstreflexion ohne Ergebnissicherung genutzt werden.
15 Aktionsformen zivilen Ungehorsams
Auf dem Weblog rebellion.global werden 15 Aktionsformen zivilen Ungehorsams (vom Hungerstreik zur Erreichung des Frauenwahlrechts in Großbritannien 1928 bis zu Straßenblockaden der Gelbwesten in Frankreich 2018) vorgestellt.
Vertiefende bzw. alternative Möglichkeiten
- Die Schüler:innen erarbeiten (in Einzelarbeit oder als Hausaufgabe) eine Stellungnahme zur geschilderten Anforderungssituation.
- Die Schüler:innen probieren einzelne Aktionsformen aus und erörtern diese grundsätzlich und im Blick auf die konkrete Anforderungssituation.
- Die Schüler:innen initiieren eine Abstimmung in der Schule, in der Lehrkräfte und Mitschüler:innen aufgefordert werden, Stellung zu nehmen zur Frage des Engagements der Schüler:innenvertretung gegen Rechtspopulismus und -extremismus.
Zivilgesellschaft in Gefahr – „shrinking space“
In der Zivilgesellschaft übernehmen die Bürger:innen Verantwortung für die Gesellschaft und für andere Menschen. Sie setzen sich u.a. ein für Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und Rechtsstaatlichkeit. Das zivilgesellschaftliche Engagement der Bürger:innen vollzieht sich in NGOs (Non-Governmental Organisation). Dazu gehören Vereine, Nachbarschaften, Kirchen und viele andere Organisationen.
Zivilgesellschaftliche Akteure haben im weltweiten Kontext oftmals alarmierend wenig Handlungsspielraum. Der Atlas der Zivilgesellschaft 2023 von Brot für die Welt zeigt auf, dass nur drei Prozent der Weltbevölkerung in Ländern mit einer offenen Zivilgesellschaft leben, mehr als zwei Drittel hingegen in autoritären Staaten oder Diktaturen, in denen das zivilgesellschaftliche Handeln mehr oder weniger stark eingeschränkt oder sogar ganz unterbunden wird.
Der Atlas der Zivilgesellschaft zeigt in fünf Kategorien auf, welche Handlungsoptionen Bürger:innen in ihren Staaten und Gesellschaften haben. Von offen über beeinträchtigt, beschränkt und unterdrückt bis zu geschlossen reicht die Bandbreite.
2022 begehrten Bürger:innen in 133 Ländern gegen Politik und Handlungen von Regierenden auf ‒ das sind zwei von drei Ländern weltweit. In mindestens 90 Ländern wurden friedlich Demonstrierende verhaftet, in 57 Ländern verletzt und in mindestens 24 Ländern auch getötet.
Wie schwierig die Lage der Zivilgesellschaft ist, wie ihr Handlungsraum ‒ Stichwort Shrinking Space ‒ vielerorts immer enger wird, das zeigt der Atlas der Zivilgesellschaft 2023. Brot für die Welt hat ihn auf der Grundlage eigener Expertise, der Einschätzungen von Partnerorganisationen sowie mit Daten von CIVICUS für das Jahr 2022 erstellt. Jährlich veröffentlicht CIVICUS einen Bericht, in den neben eigenen Analysen die Recherchen und Erfahrungen lokaler, nationaler und regionaler Nichtregierungsorganisationen sowie öffentlich zugängliche Berichte von mehr als 20 Partnerorganisationen einfließen.
Viele westliche Demokratien, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, weisen nicht (mehr) den Status einer offenen Zivilgesellschaft auf, da zunehmend Einschränkungen oder zeitlich befristete Beschränkungen bürgerschaftlichen Engagements zu verzeichnen sind. Gleichzeitig zeigt sich in der Auseinandersetzung mit erstarkendem Rechtspopulismus und –extremismus eine große Bereitschaft aus der sog. „Mitte der Gesellschaft“ zum Einstehen für eine vielfältige Gesellschaft, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Mit Einschränkungen zivilgesellschaftlichen Engagements im weltweiten Kontext geht immer auch eine mehr oder weniger starke Beeinträchtigung grundlegender Menschenrechte einher.
Durch das Globale Lernen im Blick auf den Atlas der Zivilgesellschaft erschließen sich den Schüler:innen sowohl die Gefährdungen als auch die Gewinne für ein gelingendes Zusammenleben von Menschen vor dem Hintergrund der Verantwortung von Christ:innen/Kirche/Religionsgemeinschaften für Staat und Gesellschaft.
Theologisch-Didaktische Hinweise
zu Schritt 1 – Sehen: biblischer Bezug, Anforderungssituation, Öffentliche Theologie
„Suchet der Stadt Bestes“, so lautet die Kurzform der Aufforderung, wie sie auf einer der Glocken der durch bürgerschaftliches Engagement auf Spendenbasis wiederaufgebauten Dresdner Frauenkirche zu lesen ist. Und weiter: „Betet für sie zum Herrn! Denn geht es ihr gut, wird es auch euch gut gehen. Und ihr werdet in Frieden leben.“ Mit diesen Worten des Propheten Jeremia (29,7) ist ein Programm aus biblisch-theologischer und religiöser Sicht formuliert für die Mitverantwortung für das Gemeinwesen, für Staat und Zivilgesellschaft.
Im 6. Jahrhundert v. Chr. eroberten die Truppen des babylonischen Königs Nebukadnezzar II. das Südreich Juda. In den Jahren 597 und 587 v. Chr. ließ er zwei Mal die Oberschicht nach Babylonien deportieren (2. Könige 24,14-16). Um die eroberten Provinzen zu schwächen, verfolgten Herrscher im Alten Orient immer wieder diese Strategie des Austausches der (intellektuellen) Oberschichten (Priester, Kaufleute, Handwerker) der verschiedenen Provinzen untereinander. Damit wurden effektiv die Kreise aus dem Weg geräumt, die einen Aufstand hätten anzetteln können.
Das babylonische Exil bildete in der Geschichte Israels einen schmerzhaften Tiefpunkt für die Gläubigen, da alle bisherigen äußeren Fundamente des Volkes Israel (Tempel und Königtum) verloren gingen.
Die Verbannten konnten in relativ selbständigen Siedlungen am Kanal Kebar nördlich von Babylon wohnen (vgl. Ezechiel 3,15). Dennoch waren sie gezwungen in einer aus ihrer Sicht heidnischen Umgebung zu leben. In dieser Situation fragten sie, wie sie verhalten sollten, zumal eine baldige Rückkehr in die Heimat unwahrscheinlich erschien. Der Prophet Jeremia schreibt daher einen Brief, in dem er u.a. darauf hinwirken will, dass die Weggeführten einerseits treu zu Jahwe, dem einen und einzigen Gott, stehen (also nicht dem in Babylonien üblichen Polytheismus verfallen), andererseits sich in dieser Umgebung einrichten, engagieren durch Tat und Gebet (also zivilgesellschaftlich handeln).
Den Einstieg in (und den Rahmen für) das Unterrichtsvorhaben bildet am besten eine Anforderungssituation mit einem möglichst aktuellen gesellschaftspolitischen Bezug. Anfang 2024, zum Zeitpunkt der Erstellung des Unterrichtsmaterials, stellt das die Auseinandersetzung mit dem auch in Deutschland erstarkten Rechtspopulismus und -extremismus dar. In vielen Städten gehen Menschen aus der Zivilgesellschaft (später unterstützt von politisch Verantwortlichen) in Demonstrationen auf die Straßen der Bundesrepublik, um für Vielfalt und die Erhaltung der Demokratie ein Zeichen zu setzen.
Lena Müller, eine Pfarrerin aus Berlin-Neukölln, hat gemeinsam mit drei weiteren jungen Theolog:innen eine sehr erfolgreiche Kampagne #pfarrpersonengegenrechts auf Instagram initiiert, bei der Pfarrer:innen und kurze Zeit später alle Christ:innen aufgefordert wurden, Stellung gegen rechts, gegen die Aushöhlung demokratischer Freiheits- und Grundrechte, zu beziehen.
Die Anforderungssituation nimmt diese Kampagne auf und zielt auf eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob, wie und inwieweit, initiiert durch die Schüler:innenvertetung, Lehrkräfte und Schüler:innen einer Schule „Gesicht zeigen“ sollen gegen rechts.
Vertiefend werden dann auf konkrete Situationen bezogene Interpretationen von Jeremia 29,7 in den Blick (Rede Hans-Josef Vogel/Predigt Christian Kopp) genommen, sowie die Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat/Gesellschaft (bzw. Religion und Politik) anhand des Konzeptes der „Öffentlichen Theologie“ von Heinrich Bedford-Strohm erschlossen. Zu klären bleibt im nächsten Schritt die Frage, wie Theologie „öffentlich“ wird. Hier können öffentliche Äußerungen von Theolog:innen und/oder Kirche in den Blick kommen, z. B. durch Wiederaufnahme der Anforderungssituation #pfarrpersonengegenrechts, des Thesenanschlags Martin Luthers an das schwarze Brett der Universität Wittenberg an der dortigen Schloßkirche oder aktuelle Äußerungen aus dem Bereich der Kirche(n) zu gesamtgesellschaftlich relevanten Fragestellungen. Ebenfalls möglich ist eine Verknüpfung mit einer zuvor (theologisch-kirchengeschichtlich orientierten) im Unterricht vorgenommenen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Kirche und Staat (Röm 13; Zwei-Regimentenlehre; Kirche zwischen Anpassung und Widerstand).
zu Schritt 2 – Erkennen: Rolle der Zivilgesellschaft – shrinking space – beispielhaftes Handeln junger Menschen in der Zivilgesellschaft
Die Zivilgesellschaft umfasst den Bereich innerhalb der Gesellschaft, der zwischen dem staatlichen, dem wirtschaftlichen und dem privaten Sektor angesiedelt ist, zum Beispiel in Vereinen, Verbänden und vielfältigen Formen von Initiativen und sozialen Bewegungen. Auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften gehören konstitutiv in diesen Sektor. Zivilgesellschaftliche Aktivitäten sind nicht profitorientiert und nicht abhängig von parteipolitischen Interessen. Viele Politikwissenschaftler beschreiben die Zivilgesellschaft als Komponente, die neben dem Staat und wirtschaftlich handelnden Akteuren notwendig ist, um eine ideale pluralistische Gesellschaft von engagierten Bürgern zu schaffen und demokratische Strukturen zu fördern.
In Deutschland und weiten Teilen Europas wird dieses Engagement aus der Mitte der Gesellschaft positiv bewertet und teilweise in erheblichem Maße unterstützt. Nicht nur, aber in großem Umfang sind z.B. die sozialdiakonischen Aktivitäten von Kirchen und Religionsgemeinschaften sogar konstitutiv für das Funktionieren des Sozialstaates (Subsidiaritätsprinzip). Anders sieht es z.B. aus, wenn aus der Zivilgesellschaft heraus, erhebliche Kritik an politischen Prozessen und Entscheidungen geübt wird. Auch in demokratischen Staaten wird dann immer wieder der Handlungsspielraum von zivilgesellschaftlichen Akteuren eingeschränkt. In nicht demokratischen politischen Systemen wird die Zivilgesellschaft nicht selten als Opposition begriffen und ihre Handlungsmöglichkeiten stark beschnitten oder sogar unmöglich gemacht. Dafür hat sich der Fachbegriff „shrinking space“ etabliert.
Ggf. unter Bezugnahme auf Unterrichtsinhalte aus dem sozialwissenschaftlichen oder Politikunterricht setzen sich die Schüler:innen mit der Rolle, Bedeutung und Gefährdung der Zivilgesellschaft auseinander und lernen an konkreten Beispielen zivilgesellschaftliches Engagement von Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher gesellschaftlicher Herkunft exemplarisch kennen. Dabei ist darauf zu achten, dass es sich (zumindest auch) um ganz „normale“ Menschen handelt. Die in Unterrichtsmaterialien häufig vorzufindenden „Heiligen“ aus der Kirche (Dietrich Bonhoeffer) oder der Zivilgesellschaft (Mahatma Ghandi) mögen als grundsätzliche Orientierungspunkte im Leben dienen, mit dem Alltag der Schüler:innen, bzw. mit den sich ihnen stellenden gesellschaftspolitischen und historischen Situationen oder Handlungsoptionen haben sie häufig nur wenig zu tun. „Lokale Helden“, „Helden des Alltags“ sind für das biografische Lernen und die Vorbildorientierung daher zu bevorzugen.
zu Schritt 3 – Handeln: zivilgesellschaftliche Handlungsoptionen für Schüler:innen – Erarbeitung und Diskussion von Aktionsformen – Kompetenzsicherung (Anforderungssituation)
Um Schüler:innen zu eigenverantwortlichem Handeln, auch aus ihrem Glauben heraus, in der Zivilgesellschaft anzuregen, ist eine Auseinandersetzung mit der allgemeinen gesellschaftlichen und speziell der zivilgesellschaftlichen Situation, in der sie leben, unabdingbar. Dazu gehört das Kennen(lernen) von Handlungsmöglichkeiten und deren Chancen und Gefahren, bzw. die Erörterung von Vor- und Nachteilen.
Das Unterrichtsvorhaben abschließend wird die Anforderungssituation vom Beginn nochmals explizit in den Blick genommen und eine begründete Position zur Frage der Beteiligung von Lehrkräften und Schülervertreter:innen an einer öffentlichkeitswirksamen Aktion der gesamten Schule gegen Rechtspopulismus und -extremismus entwickelt. Dazu dient eine von den Schüler:innen vorbereitete und durchgeführte Debatte.
Cloudordner
- Arbeitsblätter
- M 11 Gewaltfreie Aktionsformen zivilgesellschaftlichen Protests.docx
- M 11 Gewaltfreie Aktionsformen zivilgesellschaftlichen Protests.pdf
- M2 Jer 29,1-7 (Jeremia schreibt einen Brief nach Babylon).docx
- M2 Jer 29,1-7 (Jeremia schreibt einen Brief nach Babylon).pdf
- M6 Wer oder Was - zivilgesellschaftliche Organisationen.docx
- M6 Wer oder Was - zivilgesellschaftliche Organisationen.pdf
- Bilder
Bilder und Videos
- https://youtu.be/vKqMvv530sI?si=Og45UEX752pwp67x [letzter Zugriff am 23.11.2023]
- https://www.youtube.com/watch?v=Q0p3pCxDQxg [letzter Zugriff am 23.11.2023]
- Bilder in H5P-Materialien, wenn nicht anders gekennzeichnet mit der KI Microsoft Designer und Midjourney erstellt
- Bilder in M10 sind urheberrechtlich geschützt.
Links
- https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/shrinking-space/
- https://www.bmz.de/de/agenda-2030/sdg-16
- https://www.bmz.de/de/service/lexikon/zivilgesellschaft-14976
- https://bibelwissenschaft.de/stichwort/100044/
- https://www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/bibelkunde/themenkapitel-nt/kirche-im-nt
- https://bibelwissenschaft.de/stichwort/100057/
- https://www.evangelische-zeitung.de/berliner-pfarrerin-startet-aktion-pfarrpersonengegenrechts vom 14.01.2024
- https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/ [
- Biografische und theologische Informationen über die Initiatorin der Aktion gibt es in einer ZDF-Dokumentation aus dem Jahr 2022: 37 Grad Leben: Oh mein Gott, ich glaube (Video vom 03.06.2022; Dauer 27min) https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad-leben/oh-mein-gott-ich-glaube-100.html [Zugriff möglich bis zum 29.05.2027]
- https://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/downloads/Bildungsmaterial/global-lernen/Gewaltfreie_Erziehung/BfdW_GlobalLernen_Gewaltfreiheit.pdf
- https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kirche/bischofspredigt-von-landesbischof-christian-kopp-suchet-der-stadt-bestes-jeremia-291
- https://www.bra.nrw.de/bezirksregierung/die-behoerdenleitung/regierungspraesidentinnen-der-bezirksregierung-arnsberg-seit-1816/reden-texte-veroeffentlichungen-von-hans-josef-vogel-als-buergermeister-der-stadt-arnsberg
- https://landesbischof.bayern-evangelisch.de/downloads/Abschiedsvorlesung_Bedford_Strohm.pdf
- Das Thema: Zivilgesellschaft; in: Brot für die Welt – Global lernen Ausgabe 1-2022. Anregungen für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit mit Jugendlichen, S.3f.
- https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/atlas-der-zivilgesellschaft/
- https://www.civicus.org/index.php
- https://gedankenwelt.de/kelvin-doe-von-der-muellhalde-zum-ingenieur/
- https://herzkampf.de/portfolio/jakob-springfeld/
- https://www.uni-passau.de/local-heroes/kueche-ohne-dach
- https://www.forumzfd.de/de/lebanon/your-voice-and-actions-can-make-difference
- https://www.brot-fuer-die-welt.de/blog/die-zivilgesellschaft-ist-staerker-als-zuvor/
Dieses Bildungsmedium nimmt den OER-Maker Impuls auf. Der Unterrichtsentwurf ist lizenziert als OER: CC-BY-NC-SA.
Alle Materialien, sind soweit nicht anders vermerkt, OER: CC-BY-NC-SA.
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind - sofern nicht anders angegeben - lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0 . Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt:
Suchet der Stadt Bestes OER (my relilab) von Bianca Kappelhoff, Frank Behr, Jens Palkowitsch-Kühl , Lizenz: CC BY-NC-SA .
Curricularer Bezug
Nordrhein-WestfalenBezugs- und Anknüpfungspunkte „Suchet der Stadt Bestes“ (Zivilgesellschaft“) [Curriculum NRW)]
Dialogischer Charakter des Prozesses der religiösen Bildung (KLP NRW Ev. RL. Sek II, 2013, S.14)
Die Herausforderungen der modernen Lebenswelt und biografisch-lebensweltliche Perspektiven der Schüler:innen bilden den Rahmen der religiösen Bildung. Angestrebte Kompetenzen und Inhaltsfelder ergeben sich daraus, bzw. müssen sich darauf beziehen (lassen).
Mögliche Bezugs- und Anknüpfungspunkte im ev. RU stellen daher neben klassischen existenziellen Fragestellungen auch Fragen der Demokratiebildung, der Menschenrechtsbildung, der (Mit-)Verantwortung für gesellschaftliche und politische Prozesse. Sowohl in der Einführungsphase als auch in der Qualifikationsphase werden in vielfältiger Weise Inhalte und Kompetenzen benannt, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind.
Inhaltsfelder
- Inhaltsfeld 3: Das Evangelium von Jesus Christus
Dieses Inhaltsfeld beschäftigt sich mit der Frage, wer oder was Menschen Orientierung für ein gelingendes Leben angesichts der Widersprüchlichkeiten des Lebens und der Welt bietet. […]
- Inhaltsfeld 4:Die Kirche und ihre Aufgabe in der Welt
In diesem Inhaltsfeld geht es um die Frage, in welchen Formen sich Vorstellungen und Überzeugungen, die Menschen mit anderen teilen, umsetzen lassen. Christlicher Glaube ist nicht nur Privatsache, sondern konkretisiert sich in Gemeinschaft. […]
- Inhaltsfeld 5: Verantwortliches Handeln aus christlicher Motivation
In diesem Inhaltsfeld wird aufgegriffen, dass Menschen nach Möglichkeiten und Grenzen ihres Handelns, nach Orientierung und Wertmaßstäben fragen. Der christliche Glaube gewinnt seine Maßstäbe aus der biblischen Rede von der Gerechtigkeit Gottes und seinem Verständnis der Nachfolge Christi. Danach sind Menschen aufgefordert, sich – nach ihren Möglichkeiten – für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Aus diesem Anspruch folgt die Verpflichtung zur Arbeit an einem gerechten Frieden und zu einem achtsamen Umgang mit Leben.
Die Zusammenfassung der Kompetenzerwartungen bezieht sich auf die Anforderungen im Grundkurs Ev. Religionslehre. Für den Leistungskurs werden im Kerncurriculum teilweise noch weiterführende, bzw. tiefer gehende Kompetenzerwartungen formuliert.
Beispiel EF
1. Übergeordneter Kompetenzerwerb
Die im Folgenden genannten Kompetenzen sind grundlegend und nicht spezifisch auf einzelne Inhaltsfelder bezogen, gleichwohl auch dort jeweils zu verorten.
SACHKOMPETENZ
WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- identifizieren in Alltagssituationen religiöse Fragen (SK1),
DEUTUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- entfalten unterschiedliche Antwortversuche auf das menschliche Fragen nach Grund, Sinn und Ziel der Welt des Menschen und der eigenen Existenz (SK7),
- setzen Glaubensaussagen in Beziehung zum eigenen Leben und zur gesellschaftlichen Wirklichkeit und zeigen deren Bedeutung auf (SK8).
HANDLUNGSKOMPETENZ
DIALOGKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- nehmen die Perspektive einer anderen Position bzw. religiösen Überzeugung ein und berücksichtigen diese im Dialog mit anderen (HK1),
- formulieren zu weniger komplexen Fragestellungen eigene Positionen und legen sie argumentativ dar (HK2),
- prüfen Möglichkeiten und Grenzen der Toleranz gegenüber religiösen und nichtreligiösen Überzeugungen, entwickeln dazu eine eigene Position und leiten daraus Konsequenzen für das eigene Verhalten ab (HK3).
GESTALTUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- gestalten Formen eines konstruktiven Austausches zu kontroversen Themen im Dialog mit religiösen und nicht-religiösen Überzeugungen (HK5).
METHODENKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- beschreiben Sachverhalte in begrenzten thematischen Zusammenhängen unter Verwendung eines Grundrepertoires theologischer Begriffe (MK1),
- erschließen angeleitet biblische Texte unter Berücksichtigung unterschiedlicher methodischer Zugänge (MK3),
- analysieren kriterienorientiert biblische, kirchliche, theologische und andere religiös relevante Dokumente in Grundzügen (MK6).
2. Konkretisierte Kompetenzerwartungen
Inhaltlicher Schwerpunkt (IF 4) Kirche als Leib Christi und Gemeinschaft der Glaubenden
SACHKOMPETENZ
WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- unterscheiden verschiedene Funktionen und Ämter der Kirche (u. a. prophetisch, diakonisch), die ihr theologisch und gesellschaftlich zugeordnet werden,
Inhaltlicher Schwerpunkt (IF 5) Schöpfungsverantwortung und der Umgang mit Leben
SACHKOMPETENZ
WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- beschreiben konkrete Situationen des Umgangs mit menschlichem Leben als ethische Herausforderungen,
DEUTUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- deuten ethische Herausforderungen als religiös relevante Entscheidungssituationen,
- stellen Zusammenhänge zwischen ethischen sowie religiösen Prinzipien und der Frage nach dem Umgang mit Leben her,
URTEILSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- beurteilen verschiedene ethische Positionen zum Umgang mit Leben und wägen diese in ihren Konsequenzen gegeneinander ab,
- beurteilen christliche Stellungnahmen zu ethischen Problemen im Horizont biblischer Begründungen.
Beispiel Q (I&II)
- Übergeordneter Kompetenzerwerb
SACHKOMPETENZ
WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- identifizieren Situationen des eigenen Lebens und der Lebenswelt, in denen sich Fragen nach Grund, Sinn, Ziel und Verantwortung des Lebens im Horizont des christlichen Glaubens stellen (SK1),
- beschreiben, welche Relevanz Glaubensaussagen für die Gestaltung des eigenen Lebens und der gesellschaftlichen Wirklichkeit gewinnen können (SK2),
- beschreiben ethische Herausforderungen in der individuellen Lebensgeschichte sowie in unterschiedlichen gesellschaftlichen Handlungsfeldern als religiös bedeutsame Entscheidungssituationen (SK3),
- unterscheiden sich ergänzende von sich ausschließenden Deutungsangeboten (SK4).
DEUTUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- deuten Situationen des eigenen Lebens und der Lebenswelt, in denen sich Fragen nach Grund, Sinn, Ziel und Verantwortung des Lebens stellen (SK5),
- erläutern den Anspruch und die lebenspraktischen Konsequenzen religiöser Wirklichkeitsdeutungen (SK6),
- beschreiben – angesichts der Komplexität von Lebenssituationen – die Schwierigkeit, auf Fragen eindeutige Antworten zu geben (SK8),
- vergleichen verschiedene Motivationen für politisches und soziales Engagement mit der Motivation, die im christlichen Glauben gründet (SK10).
URTEILSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- erörtern kritische Anfragen an christliche Glaubensinhalte und kirchliche Wirklichkeit (UK2),
- erörtern religiöse und ethische Fragen im Kontext der Pluralität der Gesellschaft sowie der Vielfalt von Lebensformen (UK3),
- bewerten unterschiedliche Ansätze und Formen theologischer und ethischer Argumentation (UK4).
HANDLUNGSKOMPETENZ
DIALOGKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- nehmen die Perspektive einer anderen Position bzw. religiösen Überzeugung ein und berücksichtigen diese im Dialog mit anderen (HK1),
- formulieren zu komplexen ethischen und anthropologischen Fragestellungen eigene Positionen und grenzen sie begründet von anderen ab (HK2),
- begegnen anderen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aus der Perspektive des christlichen Glaubens diskursiv sowie mit einer Haltung des Respekts und der Achtung (HK3),
- vergleichen Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen und nutzen ihre Erkenntnisse im möglichen Dialog (HK4),
GESTALTUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- gestalten Formen eines konstruktiven Austausches über anthropologische und
ethische Fragen sowie religiöse Überzeugungen (HK7),
- entwickeln beispielhaft eigene Handlungsdispositionen im Umgang mit sich selbst, anderen und der Mitwelt in Auseinandersetzung mit christlichen Maßstäben (HK8).
METHODENKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- beschreiben Sachverhalte in unterschiedlichen thematischen Zusammenhängen angemessen unter Verwendung eines Repertoires theologischer Begriffe (MK1),
- analysieren sachgerecht verschiedene Stellungnahmen hinsichtlich ihres Stellenwertes, ihrer Bedeutung und ihrer Wirkungen unter Beachtung der spezifischen Textsorte (MK5).
- Konkretisierte Kompetenzerwartungen
Inhaltliche Schwerpunkte (IF3) Reich-Gottes-Verkündigung Jesu in Tat und Wort
Jesus von Nazareth, der Christus: Kreuz und Auferweckung
SACHKOMPETENZ
WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- stellen Jesu Botschaft vom Reich Gottes anhand der Gleichnisse und der Bergpredigt dar,
DEUTUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- stellen das christliche Verständnis des Auftretens Jesu als Anbruch des Reiches Gottes dar,
- erläutern Lebensorientierungen und Hoffnungsperspektiven, die sich aus der
Reich-Gottes-Verkündigung Jesu und aus dem Glauben an Jesu Auferweckung für
Christinnen und Christen ergeben,
- erläutern die Verkündigung Jesu vom Reich Gottes als die für die Kirche grundlegende
Orientierung für ihre Lebens- und Zukunftsgestaltung.
URTEILSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- erörtern individuelle und soziale lebenspraktische Folgen der Reich-Gottes-Botschaft in Geschichte und Gegenwart,
Inhaltlicher Schwerpunkt (IF4) Der Auftrag der Kirche in einer sich wandelnden Welt
SACHKOMPETENZ
WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- benennen die aus dem Selbstverständnis der Kirche erwachsenden Handlungsfelder,
- differenzieren zwischen theologischem Selbstverständnis der Kirche und ihren gesellschaftlichen Aktivitäten,
DEUTUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- analysieren und vergleichen unterschiedliche Ansätze der Verhältnisbestimmung von Christ:innen und Kirche zum Staat und zur gesellschaftlichen Ordnung in Geschichte und Gegenwart,
- erläutern an Beispielen unterschiedliche Formen des gesellschaftlichen Engagements
- der Kirche in ihrem jeweiligen historischen Kontext,
analysieren Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen kirchlichen Handelns angesichts der Herausforderungen im 21. Jahrhundert.
URTEILSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- beurteilen Handlungsweisen der Kirche und der Christ:innen vor dem Hintergrund des Anspruchs, gesellschaftlichen Herausforderungen in Geschichte und Gegenwart gerecht zu werden,
- bewerten kirchliches Handeln in Geschichte und Gegenwart vor dem Hintergrund des Auftrags und des Selbstverständnisses der Kirche,
- bewerten Möglichkeiten und Grenzen kirchlichen Handelns angesichts aktueller und zukünftiger Herausforderungen.
Inhaltlicher Schwerpunkt (IF5) Gerechtigkeit und Frieden
SACHKOMPETENZ
WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- vergleichen verschiedene ethische Begründungsansätze in Religionen und Weltanschauungen und stellen die Charakteristika einer christlichen Ethik heraus,
- beschreiben anhand unterschiedlicher Positionen das Verständnis von Gerechtigkeit und Frieden und deren Kombinierbarkeit,
- benennen Situationen, in denen die Frage von Gerechtigkeit und Frieden gegenwärtig relevant wird,
- identifizieren christliche Beiträge von Personen und Institutionen
DEUTUNGSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- benennen zu den Stichworten Gerechtigkeit und Frieden individuelle und soziale Herausforderungen für ein christliches Gewissen,
- erläutern Handlungsoptionen aus unterschiedlichen ethischen Modellen für ausgewählte ethische Handlungssituationen,
- stellen Begründungszusammenhänge dar, die einem Handeln im Interesse der Gerechtigkeit und des Friedens einer christlichen Ethik zugrunde liegen.
URTEILSKOMPETENZ
Die Schüler:innen
- beurteilen Dilemma-Situationen im Kontext von Gerechtigkeit und Frieden und setzen sie in Beziehung zu christlichen Urteilen,
- erörtern verschiedene Möglichkeiten des gesellschaftspolitischen Engagements einer Christ:in,
- beurteilen theologische und anthropologische Aussagen in ihrer Bedeutung für eine christliche Ethik unter dem Aspekt der Reichweite bzw. des Erfolgs eines Einsatzes für Gerechtigkeit und Frieden
BayernBezugs- und Anknüpfungspunkte „Suchet der Stadt Bestes“ (Zivilgesellschaft) [Curriculum Sachsen]
ER12 Lernbereich 4: Mittendrin?! – Christsein in der Gesellschaft (ca. 12 Std.)
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen und Schüler …
- verorten sich als Teil der Gesellschaft, identifizieren Phänomene und Situationen, in denen Individuum und Gesellschaft aufeinander einwirken, und reflektieren Konsequenzen für ihr Verständnis von Individualität und Freiheit.
- erläutern Theorien zum Wesen des Menschen als politischem Gemeinschaftswesen und prüfen darin Spielräume für Individualität und Mündigkeit.
- beschreiben und diskutieren die Rolle von Kirche in der gegenwärtigen Gesellschaft.
- erschließen eine aktuelle sozialethische Fragestellung als Herausforderung für das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, bewerten recherchierte Informationen kritisch und reflektieren unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten.
- erörtern die gewählte Problemstellung aus christlicher Perspektive und beziehen dabei theologische Modelle zur Begründung von Sozialethik ein.
Inhalte zu den Kompetenzen:
- Verortungen anhand von Kriterien wie Rollen, Zugehörigkeiten, Milieus
- Beispiele für das Aufeinandereinwirken von Individuum und Gesellschaft, offensichtliche und verdeckte Zusammenhänge in Bereichen wie Schule, Mode, Medien, Freizeit
- der Mensch als zoon politikon, z. B. in der Antike, bei Th. Hobbes, J.‑J. Rousseau, H. Arendt
- Kirche in der Gesellschaft: Wahrnehmungen, Erwartungen, Aktivitäten; in diesem Zusammenhang unterschiedliches Selbstverständnis der Kirchen und konziliarer Prozess
- gesellschaftliche Herausforderungen, z. B. Arbeitslosigkeit, demografischer Wandel, Migration, Fragen der Sozial-, Umwelt-, Wirtschafts- oder Friedenspolitik
- christliche Perspektiven, z. B. im Schöpfungsgedanken begründete Menschenwürde und Solidarität, verantworteter Umgang mit der Welt, Gerechtigkeitsvorstellungen in der alttestamentlichen Prophetie; ggf. Beiträge aus EKD-Denkschriften
- theologische Modelle zur Begründung von Sozialethik: M. Luthers Unterscheidung der zwei Reiche und Regimente, K. Barths Modell der „Königsherrschaft Christi“; ggf. D. Bonhoeffer („Die Kirche vor der Judenfrage“), Aspekte der Befreiungstheologie, der Öffentlichen Theologie oder der katholischen Soziallehre
Obwohl diese Einheit für die Oberstufe konzipiert wurde, können Teile in folgenden Schulformen und Klassenstufen eingesetzt werden:
Gymnasium: ER9 Lernbereich 4: „In Verantwortung vor Gott“ – das Verhältnis von Kirche und Staat, Realschule: ER10 Lernbereich 2: Christsein in Gesellschaft, Mittelschule: ER10 Lernbereich 3: Kirche in der Welt
SachsenBezugs- und Anknüpfungspunkte „Suchet der Stadt Bestes“ (Zivilgesellschaft) [Curriculum Sachsen]
Ziele und Aufgaben des Gymnasiums
[…] Die Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit sowie die Möglichkeit zur Gestaltung des eigenen Lebens in sozialer Verantwortung und die Befähigung zur Mitwirkung in der demokratischen Gesellschaft gehören zum Auftrag des Gymnasiums. […]
Eine besondere Bedeutung kommt der politischen Bildung als aktivem Beitrag zur Entwicklung der Mündigkeit junger Menschen und zur Stärkung der Zivilgesellschaft zu. Im Vordergrund stehen dabei die Fähigkeit und Bereitschaft, sich vor dem Hintergrund demokratischer Handlungsoptionen aktiv in die freiheitliche Demokratie einzubringen.
Als ein übergeordnetes Bildungs- und Erziehungsziel des Gymnasiums ist politische Bildung im Sächsischen Schulgesetz verankert und muss in allen Fächern angemessen Beachtung finden. Zudem ist sie integrativ insbesondere in den überfachlichen Zielen Werteorientierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Reflexions- und Diskursfähigkeit sowie Verantwortungsbereitschaft enthalten.
Ausgehend vom Abschlussniveau der Grundschule werden überfachliche Ziele formuliert, die in allen Fächern zu realisieren sind.
- [Wissen] [Kommunikationsfähigkeit] [Methodenbewusstsein] [Lernkompetenz] [Arbeitsorganisation]
- [Schüler:innen] lernen in Alternativen zu denken, Phantasie und Kreativität zu entwickeln und zugleich Lösungen auf ihre Machbarkeit zu überprüfen. [Problemlösestrategien]
- [informatische Bildung][Medienbildung][Interdisziplinarität, Mehrperspektivität]
- [Schüler:innen] entwickeln die Fähigkeit zu Empathie und Perspektivwechsel und lernen, sich für die Rechte und Bedürfnisse anderer einzusetzen. Sie lernen unterschiedliche Positionen und Wertvorstellungen kennen und setzen sich mit ihnen auseinander, um sowohl eigene Positionen einzunehmen als auch anderen gegenüber Toleranz zu entwickeln. Sie entwickeln interkulturelle Kompetenz, um offen zu sein, sich mit anderen zu verständigen und angemessen zu handeln. [Empathie und Perspektivwechsel]
- [Schüler:innen] entwickeln eigene Wertvorstellungen auf der Grundlage der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, indem sie Werte im schulischen Alltag erleben, kritisch reflektieren und diskutieren. Dazu gehören insbesondere Erfahrungen der Toleranz, der Akzeptanz, der Anerkennung und der Wertschätzung im Umgang mit Vielfalt sowie Respekt vor dem Leben, dem Menschen und vor zukünftigen Generationen. Sie entwickeln die Fähigkeit und Bereitschaft, sich vor dem Hintergrund demokratischer Handlungsoptionen aktiv in die freiheitliche Demokratie einzubringen. [Werteorientierung]
- [Schüler:innen] setzen sich, ausgehend von den eigenen Lebensweltbezügen, einschließlich ihrer Erfahrungen mit der Vielfalt und Einzigartigkeit der Natur, mit lokalen, regionalen und globalen Entwicklungen auseinander. Sie lernen, Auswirkungen von Entscheidungen auf das Leben der Menschen, die Umwelt und die Wirtschaft zu bewerten. Sie setzen sich bewusst für eine ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Entwicklung ein und wirken gestaltend daran mit. Dabei kennen und nutzen sie Partizipationsmöglichkeiten. [Bildung für nachhaltige Entwicklung]
- [Schüler:innen] entwickeln vertiefte Reflexions- und Diskursfähigkeit, um ihr Leben selbstbestimmt und verantwortlich zu führen. Sie lernen, Positionen, Lösungen und Lösungswege kritisch zu hinterfragen. Sie erwerben die Fähigkeit, differenziert Stellung zu beziehen und die eigene Meinung sachgerecht zu begründen. Sie eignen sich die Fähigkeit an, komplexe Sachverhalte unter Verwendung der entsprechenden Fachsprache sowohl mündlich als auch schriftlich stringent darzulegen. [Reflexions- und Diskursfähigkeit]
- [Schüler:innen] entwickeln eine persönliche Motivation für die Übernahme von Verantwortung in Schule und Gesellschaft. [Verantwortungsbereitschaft]
Der Bildungs- und Erziehungsprozess ist individuell und gesellschaftsbezogen zugleich. Die Schule als sozialer Erfahrungsraum muss den Schülern Gelegenheit geben, den Anspruch auf Selbstständigkeit, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung einzulösen und Mitverantwortung bei der gemeinsamen Gestaltung schulischer Prozesse zu tragen. […]
[…] In der gymnasialen Oberstufe lernen die Schüler Problemlöseprozesse eigenständig zu organisieren sowie die Ergebnisse eines Arbeitsprozesses strukturiert und in angemessener Form zu präsentieren. […]
In der Schule lernen und leben die Schüler gleichberechtigt miteinander. Der Schüler wird mit seinen individuellen Fähigkeiten, Eigenschaften, Wertvorstellungen und seinem Lebens- und Erfahrungshintergrund respektiert. In gleicher Weise respektiert er seine Mitschüler. Unterschiedliche Positionen bzw. Werturteile können geäußert werden und sie werden auf der Basis der demokratischen Grundordnung zur Diskussion gestellt.
Wesentliche Kriterien eines guten Schulklimas am Gymnasium sind Transparenz der Entscheidungen, Gerechtigkeit und Toleranz sowie Achtung und Verlässlichkeit im Umgang aller an Schule Beteiligten. […]
[Schüler:innen] sollen dazu angeregt werden, sich über den Unterricht hinaus zu engagieren. Das Gymnasium bietet dazu genügend Betätigungsfelder, die von der Arbeit in den Mitwirkungsgremien bis hin zu kulturellen und gemeinschaftlichen Aufgaben reichen. Das Gymnasium öffnet sich stärker gegenüber seinem gesellschaftlichen Umfeld und bezieht Einrichtungen wie Universitäten, Unternehmen, soziale und kommunale Institutionen in die Bildungs- und Erziehungsarbeit ein. Kontakte zu Kirchen, Organisationen und Vereinen geben neue Impulse für die schulische Arbeit. Besondere Lernorte entstehen, wenn Schüler nachbarschaftliche bzw. soziale Dienste leisten. Dadurch werden individuelles und soziales Engagement bzw. Verantwortung für sich selbst und für die Gemeinschaft verbunden.
Ziele und Aufgaben des Faches Evangelische Religion
Das Fach Evangelische Religion hilft den Schülern, sich in der Vielfalt möglicher Lebensentwürfe und Weltdeutungen zurechtzufinden. Dies geschieht in der Auseinandersetzung mit der in unserem Kulturkreis wirksamen christlichen Tradition und in der Begegnung mit anderen religiösen und weltanschaulichen Erfahrungen. […]
Das Fach Evangelische Religion thematisiert die Beziehung des Einzelnen zu anderen Menschen, zu Gott und der Welt als Ganzer. Da Religion eine Metaperspektive auf die Wirklichkeit einnimmt, integriert das Fach Evangelische Religion Einzelaspekte der Fächer und stellt diese in ihren kulturellen Sinnzusammenhang. So ist zum Verständnis der christlichen Traditionen und Gottesvorstellungen die Kategorie der Geschichtlichkeit unverzichtbar. Zudem sind religiöse Traditionen ohne soziale und politische Bezüge nicht verstehbar.
Im Verständnis der Welt als Schöpfung Gottes, deren Bewahrung in der Verantwortung der Menschen liegt, fördert das Fach Evangelische Religion bei den Schülern das Bewusstsein für gesellschaftliche Herausforderungen ihrer Zeit und die Notwendigkeit nachhaltigen Handelns. […]
Der spezifische Beitrag des Faches Evangelische Religion zur Allgemeinbildung und Studierfähigkeit liegt in der Entwicklung hermeneutischer Kompetenz und ethischer Urteilsfähigkeit. […]
Grundlegend für das Unterrichten des Faches Evangelische Religion ist der Dreischritt: Wahrnehmen – Verstehen – Deuten.
Im Fach Evangelische Religion lernen die Schüler, ihre Lebenswirklichkeit wahrzunehmen, unvoreingenommen, aber gleichwohl im Hinblick auf spätere religiöse Deutung. Wahrnehmen vollzieht sich als Selbstwahrnehmung, Beziehungswahrnehmung und Wahrnehmung gesellschaftlicher Wirklichkeit. […]
Ziele in der Oberstufe
Jahrgangsstufe 11
Die Schüler[:innen] erweitern ihre Fähigkeit der Analyse und Interpretation religiöser Phänomene. Sie erschließen literarische Texte und künstlerische Werke als Möglichkeiten von religiöser Welt- und Existenzdeutung.
Die Schüler[:innen] setzen sich mit Bedeutung und Funktion von Religion und Wissenschaft auseinander. Sie verwenden dabei selbstständig fachspezifische Terminologien.
Die Schüler[:innen] beziehen Stellung zu überlieferten und zeitgenössischen christologischen Konzepten.
Die Schüler[:innen] reflektieren Wirkungszusammenhänge zwischen Gottes- und Weltbildern und ihre Folgen für Lebens- und Weltgestaltung.
Lernbereich 1: Religion und Wirklichkeit
Übertragen der Kenntnisse über Naturwissenschaft und Theologie auf die Rede von Evolution und Schöpfung Begriffsklärungen: Schöpfung und EvolutionBildung für nachhaltige Entwicklung Lernbereich 2: Reden von Gott und Jesus Christus
Verkündigung Jesu Reich-Gottes-BotschaftMt 5-7 [Bergpredigt]Empathie und PerspektivwechselReflexions- und Diskursfähigkeit Jahrgangsstufe 12
Die Schüler[:innen] reflektieren wissenschaftliche und religiöse Aussagen über den Menschen und vertiefen dabei den selbstständigen Gebrauch fachspezifischer Terminologien.
Die Schüler[:innen] setzen sich vertieft mit den ethischen Konsequenzen der Rechtfertigung aus Gnade im Vergleich mit anderen Begründungen von Ethik auseinander.
Die Schüler[:innen] setzen sich mit der politischen und gesellschaftlichen Tragweite der Reich-Gottes- Verkündigung und ihren Konkretionen in der Geschichte der Kirche auseinander. Sie erweitern ihre Fähigkeit kontroverse Standpunkte im Diskurs zu klären.
Die Schüler[:innen] werden fähig, die in der Hoffnung fundierte Sinn- und Zukunftsperspektive für die menschliche Existenz aus dem christlichen Glauben zu begründen.
Lernbereich 1: Der Mensch und sein Handeln
…Freiheit des Menschen… Sündhaftigkeit des Menschen…Beurteilen ethischer Konzeptionen im Blick auf ihre anthropologischen Grundlagen Gestalten einer Verlautbarung zu einem ethischen Problem auf der Grundlage der Rechtfertigungslehre RechtfertigungGen 3-4 und Deutungen Ethik der VerantwortungDilemma-DiskussionReflexions- und Diskursfähigkeit Lernbereich 2: Kirche und Reich Gottes
Kennen von Vorstellungen vom Reich Gottes Gestalten eines Konzepts zur Zukunft der Kirche neue Verantwortung und Herausforderungen der Kirche in einer digitalisierten Welt ZukunftswerkstattVerantwortungsbereitschaft
Schleswig-HolsteinBezugs- und Anknüpfungspunkte „Suchet der Stadt Bestes“ (Zivilgesellschaft“) [Curriculum S-H]
Grundlagen
Das Fach Evangelische Religion ist eingebunden in den Fächerkanon der Sekundarstufe II und leistet einen fachbezogenen, fachübergreifenden sowie allgemeinbildenden Beitrag zu den grundlegenden Zielen der Oberstufe. […] der Religionsunterricht in der Oberstufe [leistet] einen besonderen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung, zur verantwortlichen Gestaltung des eigenen Lebens, zur Übernahme sozialer Verantwortung in der demokratischen Zivilgesellschaft sowie zur nachhaltigen Förderung einer reflektierten Dialog- und Pluralitätsfähigkeit bezogen auf den Umgang mit der wachsenden kulturellen und religiösen Vielfalt.
Vor diesem Hintergrund trägt der Religionsunterricht zu einer bewussten Lebensgestaltung und zur gesellschaftlichen Teilhabe junger Erwachsener und damit zur Auseinandersetzung mit Kernproblemen des gesellschaftlichen Lebens bei.
Im Rahmen seines Bildungsauftrags erschließt der Religionsunterricht die religiöse Dimension des Lebens im Sinne eines spezifischen Modus der Weltbegegnung und -erschließung, […] der Evangelische Religionsunterricht in der gymnasialen Oberstufe [zielt] auf eine religiöse Bildung der Schüler:innen, die sich in allen Bereichen des gesellschaftlichen, sozialen und persönlichen Lebens auswirkt […]
Vom Religionsunterricht können wichtige Impulse für die Entwicklung der Schulkultur ausgehen. Dabei sollte interkulturelles und interreligiöses Lernen Berücksichtigung finden. Im Sinne eines umfassenden Bildungsauftrags kann so die religiöse Dimension nicht nur im Religionsunterricht, sondern auch im übrigen Schulleben einen Beitrag dazu leisten, dass über die Grenzen von Religionen und Kulturen hinweg der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung gefördert wird. […]
Die didaktische Reflexion berücksichtigt die Pluralität innerhalb der Lerngruppe und bezieht diese in die Gestaltung der Lernumgebungen und die Auswahl der Inhalte mit ein. Dabei ist ein Gleichgewicht zu finden zwischen lokalen Bezügen und globalen Herausforderungen, zwischen Konkretisierung und Abstraktion, Historizität und aktualisierender Transformation. […]
Indem die Schüler:innen im Evangelischen Religionsunterricht über Religionen und von Religionen in ihren gesellschaftlichen und historischen Deutungszusammenhängen lernen, leistet das Fach im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich einen eigenständigen Beitrag dazu, Glaubensüberzeugungen, Lebensführung und eigene sowie fremde religiöse Praxis kriteriengeleitet zu reflektieren. […]
Kompetenzen
Wahrnehmungs- und Darstellungsfähigkeit – religiösbedeutsame Phänomene wahrnehmen und beschreiben:
- Situationen erfassen, in denen letzte Fragen nach Grund, Sinn, Ziel und Verantwortung des Lebens aufbrechen;
- ethische Herausforderungen in der individuellen Lebensgeschichte sowie in unterschiedlichen gesellschaftlichen Handlungsfeldern wie Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft als religiös bedeutsame Entscheidungssituationen erkennen.
Deutungsfähigkeit – religiös bedeutsame Sprache undZeugnisse verstehen und deuten:
- biblische Texte, die für den christlichen Glauben grundlegend sind, methodisch reflektiert auslegen;
- theologische Texte sachgemäß erschließen;
- Glaubenszeugnisse in Beziehung zum eigenen Leben und zur gesellschaftlichen Wirklichkeit setzen und ihre Bedeutung aufweisen.
Urteilsfähigkeit – in religiösen und ethischen Fragenbegründet urteilen:
- deskriptive und normative Aussagen unterscheiden;
- Formen theologischer Argumentation vergleichen und bewerten;
- Modelle ethischer Urteilsbildung kritisch beurteilen und beispielhaft anwenden;
- die Menschenwürde theologisch begründen und als Grundwert in aktuellen ethischen Konflikten zur Geltung bringen;
- im Kontext der Pluralität einen eigenen Standpunkt zu religiösen und ethischen Fragen einnehmen und argumentativ vertreten.
Dialogfähigkeit – am religiösen Dialog argumentierendteilnehmen:
- die Perspektive eines anderen einnehmen und in Bezug zum eigenen Standpunkt setzen;
- Gemeinsamkeiten von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sowie Unterschiede benennen und im Blick auf mögliche Dialogpartner kommunizieren;
- sich unter besonderer Berücksichtigung christlicher Standpunkte mit unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen argumentierend auseinandersetzen;
- Kriterien für eine konstruktive Begegnung, die von Verständigung, Respekt und Anerkennung von Differenz geprägt ist, in dialogischen Situationen berücksichtigen.
Gestaltungsfähigkeit – religiös bedeutsame Ausdrucks–undGestaltungsformen verwenden:
- religiös relevante Inhalte und Positionen medial und adressatenbezogen präsentieren.
Kompetenzbereiche
II. Die Frage nach dem Menschen und dem richtigen Handeln
Im Kompetenzbereich II werden die existentiellen Grundfragen des Menschen insofern thematisiert, als dass der Mensch in seiner Selbst-, Gemeinschafts- und Weltbezogenheit einschließlich der Geschlechterkategorie betrachtet wird. Ethische Fragen, die genuin zu jeder Religion gehören, und ethische Urteilsbildung sind dabei unauflöslich mit der Frage nach dem Menschenbild und der damit verbundenen Gottesvorstellung oder Weltanschauung verknüpft. Dabei gilt es zu bedenken, dass jede ethische Erörterung die Bedeutung von Verantwortung und Würde reflektiert.
III. Die Frage nach den Religionen in der Gesellschaft
Schülerinnen und Schüler leben zunehmend in multireligiösen und multikulturellen Zusammenhängen, die Dialog- und Pluralitätsfähigkeit erfordern. Insofern geht es in diesem Kompetenzbereich darum, sich mit dem Phänomen Religion in seiner lebensförderlichen und lebensfeindlichen Wirkung für den Einzelnen wie für die Gesellschaft in Geschichte und Gegenwart zu beschäftigen. Religion wird dabei betrachtet als kulturell, geschichtlich und geografisch bedingtes Phänomen menschlichen Fragens nach Grund, Ziel, Sinn und Verantwortlichkeit des Lebens.
Inhaltsbezogene Kompetenzen
Kompetenzbereich II Die Frage nach dem Menschen und dem richtigen Handeln
Die Schüler:innennehmen im Kontext einer Pluralität von Erklärungsmodellen reflektierend wahr, dass die anthropologische Grundfrage „Was ist der Mensch?“ notwendigerweise perspektivisch gebunden beantwortet wird.erkennen, dass die ethische Urteilsbildung und die Frage nach dem richtigen Handeln mit der Frage nach dem Menschenbild verbunden sind.vertreten begründet, dass die Menschenwürde ein grundlegender und wesentlicher Bezugspunkt ethischen Handelns ist.erkennen, dass sich nach christlich-jüdischem Verständnis die Frage nach dem Menschen und seiner Würde im Kontext der Gottebenbildlichkeit stellt.setzen sich mit dem Verhältnis von Mensch und Umwelt auseinander und reflektieren Folgerungen für verantwortliches Handeln. Menschenbilder in Philosophie, Theologie, den Humanwissenschaften, Wirtschaft und Kulturfreier Wille, Sprache, BewusstseinAggression und Gewaltethische Modelle (Pflichtenethik, Utilitarismus und ihre Varianten)Umweltethik, Krieg und FriedenGerechtigkeitGlobalisierungMenschenwürde und MenschenrechteGrundbausteine einer christlichen EthikBergpredigtInhalte der Botschaft Jesu und sein Umgang mit Menschender Mensch als Geschöpf und Ebenbild GottesDimensionen des FreiheitsbegriffesSchöpfungsethik, dominium terraeMensch und Natur„Das Prinzip Verantwortung“ (Hans Jonas) Kompetenzbereich III Die Frage nach den Religionen in der Gesellschaft
Die Schüler:innenerkennen Religion als kulturell, geschichtlich und geografisch bedingtes Phänomen menschlichen Fragens nach Grund, Ziel, Sinn und Verantwortlichkeit des Lebens.erkennen die Ambivalenz religiöser Ausprägungen in ihrer lebensförderlichen und lebensfeindlichen Wirkung für den Einzelnen wie für die Gesellschaft in Geschichte und Gegenwart und entwickeln einen eigenen Standpunkt.kennen religiöse Formen und Phänomene und reflektieren die Rolle von Religion in der Gesellschaft. AlltagsreligiositätVerhältnis von Religion und HerrschaftInvestiturstreitZwei-Regimenten-LehreTrennung von Staat und Kirche im Zuge der AufklärungLaizismus und GottesstaatZusammenhang von Religion und Kultur
Bildungs-/Lehrplanbezug