Erst mal still werden
This content has been archived. It may no longer be relevant
Zwei geschenkte Minuten Stille zum Anfang der Stunde – Ein Erfahrungsbericht
Religionslehrer Uwe Schutte war es leid, in seinem Unterricht dem Trubel und dem Tempo der Schule unentwegt unterworfen zu sein. War es möglich, den Unterricht mit einem Moment der Stille zu beginnen?
Er wagte das Experiment und teilt seine Erfahrungen mit uns.
Eingewöhnung
Ein Ritual will eingeübt werden. Anfänglich war ein gegenseitiges Beobachten und vereinzeltes Gekicher wahrzunehmen. Doch schon nach wenigen Wochen wurde es still im Raum. Es entstand eine Insel der Ruhe im brausenden Kessel der Schule.
Meine Wahrnehmung
Auch die Schüler*innen lernten die stillen Minuten zu schätzen, waren sogar etwas stolz darauf, dass sie still sein konnten, während im Nachbarraum das Schimpfen der Lehrer*innen, das Stühlerücken oder das Quatschen der Schüler*innen zu hören war. Oft war sogar eine gewisse Enttäuschung zu bemerken, wenn der Gong ertönte und es mit der Ruhe wieder vorbei war.
Nachhaltige Wirkung
Der stille Anfang wirkte nach. Waren die Ohren erst mal gespitzt, konnte die Lerngruppe dem Thema konzentrierter begegnen. Alle hörten besser zu und achteten mehr aufeinander. Diese zwei oder drei Minuten waren gut investierte Zeit, eine kleine Schule der Achtsamkeit am Anfang der Schulstunde.
Feedback von der Klasse
Einmal stellte ich den stillen Stundenbeginn zur Disposition. Ich wollte ehrliche Antworten: „Sollen wir das mit den Stille-Minuten so weitermachen oder zum üblichen Ablauf zurückkehren?“ Einzelne räumten ein, dass es ihnen schwerfiel, zur Ruhe zu kommen. Die große Mehrheit aber sprach sich dafür aus, das Ritual beizubehalten. Die Stille tue ihnen gut. „Da kann ich mal richtig runter kommen!“ „Das sollten wir in allen Fächern machen.“ „… vor allem vor Klassenarbeiten, damit man mal entspannen kann.“ Das war der O-Ton einiger Begründungen.
Die Rolle der Lehrperson
Das Stilleritual war auch für mich wichtig. Ich trat während dieser Zeit nicht als Kontrolleur auf. So verzichtete ich darauf, die Schüler*innen während der Stille zu beobachten, Störenfriede zu ermahnen und mit Strenge dafür zu sorgen, dass alle mitmachten. Diese Minuten der Stille waren bewertungsfreie Zeit, freie Zeit, geschenkte Zeit.
Mein Fazit
Ich bin überzeugt und erlebte es auch so, dass Jugendliche geradezu nach Momenten lechzen, in denen einmal niemand etwas von ihnen will, in denen keine Informationen auf sie einstürmen, in denen sie sich wieder selbst spüren und in der Gegenwart, bei sich selbst oder bei Gott ankommen können.
Dieses Bildungsmedium ist im Vorfeld der OER-Maker Impulse entstanden und dient als Beispiel.
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind - sofern nicht anders angegeben - lizenziert unter CC BY-SA 4.0 . Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt:
Erst mal still werden (my relilab) von Horst Heller , Lizenz: CC BY-SA .
Links zu den Bildungsplänen
Zwei Minuten geschenkte Zeit
Die Lehrperson leitet die Schülerinnen und Schüler zunächst an, alles Ablenkende zu verstauen, an ihrem Platz eine konzentrierte Haltung einzunehmen, möglichst die Augen zu schließen und auf ihren Atem zu achten: Alle kommen zur Ruhe.
Dann hört die Klasse auf einen Spruch, den einer der Schüler*innen vorliest. Darauf hinbeginnt die Stille, in der alle über den verlesenen Satz nachdenken. Manchmal gelingt es, mit dem Impuls bereits auf das Stundenthema zu lenken.
Die Stille dauert zwei bis drei Minuten. Der Timer einer Meditations-App markiert durch einen Gong den Anfang und das Ende der stillen Zeit.
Was die Schüler*innen sagten
Gelang es der Lerngruppe, zur Stille zu kommen? Welche Rückmeldung gab sie? Wie fühlte sich die Lehrperson selbst? Änderte sich die Unterrichtskultur?
Über die Stille nachdenken
In höheren Klassen reflektierte die Lerngruppe, wie es ist, ununterbrochen online zu sein. Ein Podcast des Deutschlandfunks diente als Impuls, der das Gespräch in Gang brachte.
Dieses Material basiert auf einer Kopie der OER "Rut & Noomi".
Vielen Dank für diese schöne Anregung!
Eine Frage dazu habe ich: Wer wählte den Satz aus, der zu Beginn vorgetragen wird? Ist das ein Satz von Schüler*innen oder gibt ihn der Lehrer vor? Mich würden ein paar Beispiele interessieren.
Danke!
Die Worte wurden von der Lehrperson ausgesucht. So war es möglich, unter Umständen sogar einen Bezug zum Unterrichtsthema zu finden. Es war ein Psalmwort, ein Aphorismus, ein frei gewählter Sinnspruch. Ich weiß leider nicht, welche Beispiele der Autor gewählt hat. Er hat inzwischen die Schule verlassen und wohnt im Ausland. Ich würde Worte wählen, wie sie sich in großer Zahl in den sozialen Medien finden.
Vielen Dank!
Gerne!